Für mich sind Beispiele am besten geeignet, um etwas zu verstehen. Deshalb hier ein Klassiker aus der Glaubenssätze-Mottenkiste. Mottenkiste passt deshalb so gut, weil Glaubenssätze selbst die besten seelischen Klamotten anfressen und durchlöchern können.
Also: Mottenkiste. Glaubenssätze. Beispiel.
Janine ist eine Frau, die in ihrem Leben einiges erreicht hat. Auch ein paar Dinge, bei denen Leute sagen "Wow, Respekt, könnte ich nicht" Janine findet das eigentlich auch ziemlich toll und die meisten Dinge hat sie sogar gern gemacht, aber so richtig entspannen kann sie sich nicht. Und sie ist sich auch nie ganz sicher, ob es wirklich gut genug ist, was sie so macht. Sie hat immer wieder mal Angst, dass es großer Mist ist, sie das aber später erst merkt, während alle anderen sehen, dass das einfach Mist war. Deshalb gibt sie sich sehr viel Mühe. Lieber noch ein Schippchen drauf, sicher ist sicher. Es gibt eine Instanz in Janines Leben, die wirklich zählt. Das Urteil ihres Vaters. Der hatte einen unbestechlichen Blick für Qualität. Sein Lob musste man sich verdienen, aber wenn man es hatte, konnte man sich sicher sein, wirklich was geleistet zu haben. Für dieses eine Mal jedenfalls. Lob gibt es immer nur im Nachhinein, logisch, oder? Und Janine musste sich auch bewähren. Kein One-Hit-Wondergirl sein, sondern so eine echte Dauerbrennerin. Aber auch nicht angeben. Das ist dann wirklich peinlich. Gerade für Frauen.
Ich glaube, ihr kennt Janine jetzt ausreichend. Ihr Vater ist übrigens vor 8 Jahren gestorben. Man könnte meinen, sie wäre jetzt ein Stück freier in ihrem Handeln. Aber es ist umgekehrt. Sie kann sich jetzt eigentlich gar nicht mehr sicher sein, ob das, was sie macht, wirklich gut ist. Der alte Herr in ihrem Kopf lobt noch seltener als der echte im elterlichen Wohnzimmer es getan hat.
Glaubenssätze überprüfen
Janine könnte mal ihre Glaubenssätze überprüfen. Die könnten heißen: Liebe musst du dir verdienen. Nicht geschimpft ist Lob genug. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Eigenlob stinkt. Du hast keine Ahnung davon, was wirklich gut ist. Das Leben ist ein Dauerlauf. Pass auf, dass du dich nicht blamierst. Und so weiter und so fort.
Die Sätze haben Janine weit gebracht. Sie konnte damit einiges erreichen, das ihr unabhängig von ihrem Vater selbst wichtig war. Aber der Preis ist ihr mittlerweile zu hoch. Sie ist aus den Sätzen herausgewachsen. Und trotzdem wird sie sie nicht los. Immer wieder hockt da der Vater im Sessel und guckt streng, auch wenn sie sich tausendmal sagt, er könne jetzt gehen. Loslassen ist immer so ein Ding. Lass das Alte los. Lass überhaupt los. Ist nicht so einfach. Wir haben gerne Halt, wir halten gerne fest. Und das ist okay. Ich würde nur empfehlen: Such dir einen anderen Halt. Einen, der heute gut für dich passt. Lass uns die Sätze verändern. Du darfst alle behalten, die du behalten willst. Aber nimm ein paar dazu.
Upcycling statt Wegwerfen
Upcycling für Glaubenssätze geht so: Wir nehmen uns die alten Sätze vor und überprüfen ihren Wahrheitsgehalt. Stimmt das, dass man sich Liebe verdienen muss? Ja? Immer? Überall? Nein? Haben wir das auch schon mal anders erlebt und sei es ein einziges Mal? Aha. Es stimmt wohl nicht zu hundert Prozent. Aber wie geht es uns, wenn wir glauben, das es war wäre? Eng? Ängstlich? Angestrengt? Aha. Und wie wäre es umgekehrt, wenn wir dieses angebliche Gesetz der Liebe nie gekannt hätten. Wenn wir nie gedacht hätten, wir müssten uns Liebe verdienen, wenn wir nie auch nur auf die Idee gekommen wären, das könnte so sein? Frei? Spielerisch? Vertrauensvoll? Aha. Und wie war nochmal der Glaubenssatz? Liebe musst du dir verdienen. Was passiert, wenn ich den umdrehe und die Personalpronomen tausche und die Adressaten verändere? Wie sieht das dann aus mit den Wahrheiten? Liebe musst du dir nicht verdienen. Stimmt ja auch irgendwo. Liebe muss ich mir verdienen. Das stimmte mal. Aber ist es heute noch so? Liebe muss er sich verdienen (der Vater). Ja, das stimmt. Die Großeltern waren harte Knochen. Liebe muss er sich nicht verdienen. Meine jedenfalls nicht. Ich hab ihn einfach so geliebt und tu es immer noch. Hat er nur leider schwer ertragen. Er war die Liebe nicht gewöhnt, der Vater. Weite mit den Umkehrungen. Liebe musst du dir schenken. Tränen. Ja. Das ist es. Liebe muss ich mir schenken. Ich hatte wirklich zu wenig geschenkte Liebe. Das ist eine andere als die bezahlte. Der Vater konnte Liebe noch nicht mal nehmen, der ist auch ein schlechter Schenker. Aber ich. Ich bin eine sehr gute Schenkerin. Ich schenke ständig Liebe und Nachsicht und Verständnis und was noch alles an Familie und Freunde und Bürokollegen und wen auch immer. Liebe muss ich mir schenken. Ich darf nicht nur, ich muss sogar. Alles andere ergibt keinen Sinn. Liebe muss ich mir schenken.
Und das kann dann so ein Satz sein, der eine alte Wunde auf wirksame Weise heilt. Und immer, wenn der alte Glaubenssatz aufgerufen wird, ist er gekoppelt mit dem neuen. Janine merkt es sofort, wenn ihr Liebe-Verdienen-Modus wieder angespielt wird. Alles andere wäre auch komisch. Aber der neue Satz ist sofort da. Liebe muss ich mir schenken. So ist das.
Janine fühlt sich besser. Freier. Hat mehr Vertrauen und weniger Angst. Es ist ein guter Satz, weil er wahr ist.
Und wenn sie noch mehr braucht? Dann sehen wir weiter. Schauen, was wir durch die anderen Glaubenssätze noch finden. Es ist immer etwas Gutes und passt auch genau zu der Person, weil wir auf Basis ihrer persönlichen Glaubenssätze arbeiten.
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