Abstinenz - das kleine Schreckgespenst. Für manche wird es zur Freiheitsstatue.
Klar gibt es harte Faktoren für Sucht. Aber niemand muss erst alle Häkchen auf der Liste gesammelt haben, um sich wirklich ganz sicher zu sein, ein Suchtproblem zu haben, das er dann erst lösen darf.
Suchtstrukturen
Suchtstrukturen sind in Familien eher die Regel als die Ausnahme und sie werden erstens vererbt und zweitens erlernt. Oft so gründlich, dass sich kaum mehr trennen lässt, was zur Familie gehört und was zur Sucht.
Kinder aus suchtkranken Familien haben oft ein sehr genaues Gespür dafür, wann die Stimmung kippt, was man tun muss, um Situationen zu deeskalieren, wann man lieber geht und was man jetzt keinesfalls sagen sollte.
Erwachsene Kinder aus suchtkranken Familien sind Meister der Diplomatie, des diskreten Rückzugs und wissen ganz genau, wie man andere Menschen glücklich macht.
Erwachsene Kinder
Was (erwachsene) Kinder aus suchtkranken Familien allerdings oft nicht haben, ist das Wissen darum, dass ihre Familie suchtkrank ist. Klar, da wird einiges getrunken, aber nicht mehr als bei anderen auch, oder? Und die Eltern liegen ja nicht komatös im Flur. Jedenfalls nicht öfter als andere auch. Und auch nicht beide. Zumindest nicht gleichzeitig. Oder nicht nur wegen Alkohol. Oder nicht im Flur, sondern auf der Couch. Oder ganz ordentlich im Bett. Oder jedenfalls nicht lange. Oder ist ja auch egal. Und gestritten wird überall. Und Mama hat irgendwo ja auch recht. Und manchmal gibt es eben was zu feiern. Und manchmal gönnt man sich halt was. Und überhaupt: Man sollte erstmal bei sich selber schauen, bevor man den Mund auf macht und nicht so schlau daherreden.
Teil der Suchtstruktur ist das Relativieren der Suchtstruktur, weil sonst käme die Sucht in Gefahr und das will keiner, der Interesse hat, sie aufrecht zu erhalten.
Die drei T der Sucht
Was ich ziemlich treffend finde zum Thema Suchtstruktur, sind die drei T, die jede:r Süchtige oder Suchtaffine beherrscht:
Tarnen, Tricksen, Täuschen
Coaching ist definitiv nicht das Richtige bei einer Suchterkrankung. Coaching ist aber super bei der Ambivalenzklärung. Und auch dann, wenn es eben keine krasse Sucht ist mit allen Häkchen auf der Liste, sondern die ererbte Suchtstruktur sich sonstwie durchs eigene Leben zieht und man ganz gerne frei davon agieren möchte. Frei entscheiden, wann es Zeit ist für Diplomatie und wann für klare Kante. Zu wissen, wann man aus Liebe bleibt und wann aus Gründen.
Und wenn man lernen möchte, dass die Menschenrechte tatsächlich auch für einen selbst gelten und zwar immer und nicht nur dann, wenn man nett genug zu anderen war. Zum Beispiel.
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